Henry Gruen (1923-2013), geb. Heinz Grünebaum, wurde als junger Mensch Zeuge der brutalen Verwüstung und Zerstörung jüdischen Lebens am 9. und 10. November 1938 in Köln: Unbekannte in „Halbzivil“, wie er später bezeugte, plünderten und zerstörten das eigene Familienhaus und die Ehrenfelder Synagoge, in der sein Vater Vorbeter war. Letzterer riet seinem Sohn, noch schnell das Nötigste aus der Wohnung zu holen – der junge Henry nahm lediglich einen Schlafanzug, ein Hemd und sein Klavieralbum mit seinen Lieblingsstücken von Johann Sebastian Bach mit, bevor er zu Freunden der Familie floh.
1939 konnte sich Henry Gruen mit einem Kindertransport vor den Nationalsozialisten nach Großbritannien in Sicherheit bringen. Etwa 130 seiner Mitschüler des jüdischen Gymnasiums Jawne konnten auf diese Weise gerettet werden. Der damalige Abschied von seinen Eltern Thekla und Leopold sowie seiner Schwester Inge war ein ewiger – 1942 wurden sie von Köln nach Theresienstadt deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet. Gruens Versuche, Inge außer Landes zu bringen, waren erfolglos geblieben.
Eine Bürgschaft, ein sogenanntes Affidavit, von seinem Onkel ermöglichte ihm die Emigration in die USA, wo er sein Chemie-Studium abschloss und bis 1971 lebte. Zur Rückkehr nach Deutschland entschloss er sich mit tiefer Ambivalenz. Sein Einsatz für das liberale Judentum war dafür umso eindeutiger: Gruen war einer der Mitgründer der jüdischen liberalen Gemeinde „Gescher LaMassoret“, übersetzt „Brücke zur Tradition“ und blieb bis zu seinem Lebensende ein engagiertes Mitglied.
Zeitstrahl Köln
- ↑ Das Kontingentflüchtlingsgesetz, Herby Sachs und das jüdische Leben in Köln – 9. Januar 1991
- ↓ Richard Sterns Widerstand – 1. April 1933