Als „Stolz der jüdischen Gemeinde Berlins, aber mehr noch, […] eine Zierde der Stadt“ wurde die Neue Synagoge Berlin bei ihrer Einweihung im Jahr 1866 auch von der nichtjüdischen Presse bezeichnet. Der neue Prachtbau verströmte mit seinen fast märchenhaft-exotisch anmutenden Formen und Ornamenten nicht nur Eleganz und Schönheit, sondern reflektierte mit seinem Aufwand an teuerstem Material auch den sozioökonomischen Aufstieg, mit seiner Größe die stetig anwachsende Gemeinde in Berlin. Mehr als alles stand der Bau für ein erstarkendes Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinschaft: Der Eingang mit seinen großen Portalen war an die Straße gelegt und nicht etwa zurückgesetzt worden, über ihm und nicht über dem rückwärtigen Synagogenhauptraum schloss die weithin sichtbare goldene Hauptkuppel die Silhouette ab. Aus jüdischer Sicht beinhaltete der Griff zu orientalisierender und maurischer Architektur mehr als Faszination für Orient und Alhambra: zum einen den Verweis auf das spanische Mittelalter, das im kollektiven Gedächtnis als „Goldenes Zeitalter“, als Vorbild für ein Zusammenleben von Christen, Muslimen und Juden verankert war. Zum anderen die Assoziierung mit dem geographisch-kulturellen Ursprung des Judentums, was als ins Architektonische übersetzte Aussage von einem seiner selbst sicheren, auf seine Souveränität setzenden Judentum deutbar ist. Diese Architektur war die Manifestation des Ringens um gesellschaftliche Gleichberechtigung, um einen Dialog (fast) auf Augenhöhe.
Zeitstrahl Berlin
- ↑ Louis Lewandowski – 1876