Fontanes Brief von der Judeninsel Norderney

Die oft feindliche Stimmung gegenüber jüdischen Kurgästen dokumentiert sich auch in einem Brief Theodor Fontanes, den er 1881 von der „Judeninsel“ Norderney verschickte. Welches Ausmaß an Ressentiment und Missgunst gegen Juden und Jüdinnen mobilisiert werden konnte, zeigt das Beispiel des Schriftstellers sehr deutlich; so schrieb er während seines Aufenthaltes an seine Frau Emilie:

„Fatal waren die Juden; ihre frechen, unschönen Gaunergesichter (denn in Gaunerei liegt ihre ganze Größe) drängen sich einem überall auf. Wer in Rawicz oder Meseritz ein Jahr lang Menschen betrogen oder wenn nicht betrogen, eklige Geschäfte besorgt hat, hat keinen Grund darauf, sich in Norderney unter Prinzessinnen und Comtessen mit herumzuzieren. Wer zur guten Gesellschaft gehört, Jude oder Christ, darf sich auch in der guten Gesellschaft bewegen; wer aber 11 Monate lang Katun abmißt oder Kampfer in alte Pelze packt, hat kein Recht im 12. Monat sich an einen Grafentisch zu setzen.“

Sein ganzes Leben lang war der Schriftsteller Fontane – mehr oder minder vergeblich – um Anerkennung durch den preußischen Adel bemüht und hatte – symbolisch formuliert – um seinen Platz am Grafentisch gerungen. Dass dort nun ein jüdischer Pelzhändler – noch dazu ein sogenannter „Ostjude“ – Platz nahm, der obendrein in einem teureren Hotel logierte, erweckte den Neid Fontanes, dessen Ressentiment für den Bäder-Antisemitismus konstitutiv war. Die Ausgrenzung der jüdischen Gäste sollte die eigene Person aufwerten und den Umstand kaschieren, dass man bei der sozialen Präsentation im Kurbad möglicherweise nicht besonders erfolgreich war.

Theodor Fontane um 1860

Zeitstrahl Norderney

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