Die Ausstellung des Museums Zentrum für verfolgte Künste im Hauptquartier der Vereinten Nationen New York vom 23. Oktober bis 17. November 2023 war Teil der Veranstaltungen des The Holocaust und des United Nations Outreach Programme zum Gedenken an die Opfer und Überlebenden des Novemberpogroms (9.–10. November 1938).
Die Ausstellung beleuchtet die heutige Bedeutung der Kunst für die Erinnerung an den Holocaust. Sie stellt drei Generationen von Künstler:innen vor: Lehrer und Schüler, die den Holocaust erlebten und eine weitere Generation, die ebenfalls in ihrer Kunst darauf reagierte. Chronologisch in sieben Abschnitte gegliedert, dreht sich die Ausstellung um den Künstler und Zeitzeugen Yehuda Bacon, der im Alter von 15 Jahren aus den Lagern befreit wurde.
Seit dem Überfall der Terror-Organisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem über 1.400 israelische Zivilisten auf grausame Weise ermordet und mehr als 200 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden, darunter auch Überlebende des Holocaust, hat die Ausstellung eine furchtbare Aktualität bekommen. Unsere Solidarität gilt den Menschen in Israel, insbesondere unseren Partner:innen in Yad Vashem, den Künstler:innen und ihren Familien, mit denen wir in den letzten Jahren enge Kontakte geknüpft haben. Analogien zur Zeit des Nationalsozialismus verbieten sich, wenn man der Komplexität der Situation in Nahost gerecht werden will. Was wir aber zeigen können ist, wie Künstler:innen mit dem Erlebten damals umgingen und wie es gelingen konnte, durch die Kunst wieder einen Zugang zueinander zu finden, das Leid der Opfer wahrzunehmen, anzuerkennen und gemeinsam Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Das Museum Zentrum für verfolgte Künste will mit dieser Ausstellung gemeinsam mit seinen Partnern aus Polen, Israel und den USA Verantwortung für die Erinnerung an die Vergangenheit übernehmen und sie an diesem besonderen Ort in New York für alle Menschen sichtbar machen.
„Was bedeutet das, Hoffnung? Ich wusste genau, dass ich, wie jeder andere auch, natürlich am Ende sterben werde. Aber trotzdem habe ich die Leute aus dem Krematorium gefragt: Bitte erzählt mir eure Geschichte, bitte erklärt mir, was das ist. Und sie sagten: Was willst du wissen, niemand wird hier überleben, das ist klar. Und ich wusste, dass sie meinen Körper verbrennen können, aber in jedem von uns steckt ein Teil, der schon vor unserer Geburt existierte und nie sterben wird.“
– Yehuda Bacon in einem Galeriegespräch in Yad Vashem, 2016
Die Ausstellung beginnt mit Felix Nussbaum (1904–1944), der in einem Bild auf die Novemberpogrome von 1938 reagierte und die Vernichtung des europäischen Judentums ahnte. Erst 2022 wurde durch eine kunsttechnologische Untersuchung der Kölner Hochschule CICS dieser Zusammenhang entdeckt.
Der nächste Abschnitt versammelt Kunstwerke aus dem Ghetto Theresienstadt. Dazu gehören Zeichnungen von Karel Fleischmann (1897–1944), der Yehuda Bacon im Ghetto den ersten Zeichenunterricht gab, sowie von dem Maler, Dichter und Kunstlehrer Peter Kien (1919–1944), den Yehuda Bacon kannte.
Unmittelbar nach 1945 legten die Überlebenden des Holocausts Zeugnis ab. Dafür stehen Kunstwerke von Jonasz Stern (1904–1988) und Boris Lurie (1924–2008), die wie Bacon die einzigen Überlebenden ihrer Familien waren und an ihre Angehörigen und ihre ermordete Gemeinschaft erinnerten. Zwei Orignale des Künstlers Jonasz Stern stellt das MOCAK Museum für Gegenwartskunst Krakau zur Verfügung, dessen Werk 2017 im Zentrum für verfolgte Künste in Solingen mit einer Einzelausstellung gewürdigt wurde.
Der Hauptteil ist der Kunst von Yehuda Bacon (geb. 1929 in Moravska Ostrava) gewidmet, von den unmittelbar nach seiner Befreiung entstandenen Zeichnungen, in denen er seine Erfahrungen in Auschwitz festhielt, über die Selbstporträts, die er als Student an der Bezalel Academy of Art and Design in den ersten Jahren der Gründung des Staates Israel malte, bis hin zu Zeichnungen, in denen er eine eigene expressive und symbolische Sprache entwickelt hatte. Neben seiner künstlerischen Laufbahn hielt sich Bacon an seinen Eid gegenüber seiner Familie und seinen Freunden, vor der Welt über die Verbrechen des Holocausts auszusagen, und trat 1961 als Zeuge im Eichmann-Prozess in Jerusalem und 1964 im Auschwitz-Prozess in Frankfurt auf, wo seine frühen Zeichnungen von Auschwitz-Birkenau und den Krematorien als visuelles Beweismittel verwendet wurden. Parallel dazu unterrichtete Bacon 35 Jahre lang Kunst in Jerusalem.
Eine seiner Schülerinnen war Sigalit Landau (geb. 1969 in Jerusalem). Die Ausstellung endet mit dieser international anerkannten israelischen Künstlerin, Tochter eines Holocaust-Überlebenden, die sich in einem persönlichen und doch universellen Ansatz auf den Holocaust bezieht. Letztlich spiegelt der künstlerische Faden, der die Lehrer mit ihren Schüler:innen verbindet, die Weitergabe der Erinnerung von den Opfern und Überlebenden des Holocaust an die nachfolgenden Generationen wider. Die Kunstwerke zeigen die emotionale Macht des visuellen Zeugnisses für das Gedenken an den Holocaust und unsere Verantwortung, es aktuell zu halten.
Impressum
„Responsibility for Memory“: Eine Ausstellung des Museums Zentrum für verfolgte Künste, Solingen mit Yad Vashem, Jerusalem in Kooperation mit dem MOCAK Museum für Gegenwartskunst Krakau und der Boris Lurie Art Foundation, New York. Sie ist Teil des Gedenkens von The Holocaust and The United Nations Outreach Programme an das Novemberpogrom (9.–10. November 1938).
Künstler:innen: Felix Nussbaum, Ludwig Meidner, Karel Fleischmann, Peter Kien, Jonasz Stern, Boris Lurie, Yehuda Bacon, Sigalit Landau; Originale, Faksimiles und Reproduktionen sowie Fotos aus dem Bestand der Bürgerstiftung für verfolgte Künste — Else Lasker-Schüler Zentrum — Kunstsammlung Gerhard Schneider
Kurator:innen: Eliad Moreh-Rosenberg (Yad Vashem), Dr. Jürgen Joseph Kaumkötter (Zentrum für verfolgte Künste)
Gestaltung: Gutes im Falschen – Büro für politische Kommunikation
Interview mit Yehuda Bacon, Autorinnen: Julia Riedhammer, Christine Thalmann, rbb/ARD, Rundfunk Berlin Brandenburg: auschwitzundich.ard.de
Mit freundlicher Unterstützung durch das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland und die Ständige Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen.
Online-Ausstellung: un.org/en/exhibits/exhibit/responsibility-for-memory