Michel Kichka ist einer der einflussreichsten Comiczeichner Israels. Er wurde 1954 in Belgien geboren und wanderte 1974 nach Israel aus. Kichka lehrt an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem und arbeitet regelmäßig als Karikaturist für internationale Zeitungen, darunter Courrier International und Herald Tribune. Er engagiert sich außerdem in der Organisation „Cartooning for Peace“. In der Graphic Novel „Zweite Generation: Was ich meinem Vater nie gesagt habe“ zeichnet er sehr einfühlsam die Beziehung zu seinem Vater Henri, der 1926 geboren und 1942 nach Auschwitz deportiert wurde. Henri Kichka erlebte, wie seine gesamte Familie von den Nazis ermordet wurde. Er schwieg viele Jahre und begann erst nach dem Selbstmord seines jüngsten Sohnes über seine Erlebnisse in den Konzentrationslagern zu berichten. Er besuchte Schulen und reiste regelmäßig zusammen mit Jugendlichen nach Auschwitz. Henri Kichka war bis zu seinem Tod am 25. April 2020 ein vielbeschäftigter Zeitzeuge.
Dennoch sind die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der Shoah im Familienleben der Kichkas immer präsent. Sie beeinflussen alles: ihren Alltag, die Bildung der Kinder, ihr Verhalten am Esstisch, in der Schule und bei Familienfeiern. Die zweite Generation beginnt mit einem Bild, das fast jeder im Kopf hat, wenn es um Überlebende geht: die tätowierten Zahlen auf ihren Armen. Der junge Michel hält seinen Vater fest im Arm und fragt sich, wer ihm diese Nummern auf den Arm geschrieben hat, was ein Lager ist, wie sein Vater dort aussah und wie es insbesondere ihm gelang, zu überleben.
Täter und Opfer werden über Generationen hinweg verbunden bleiben.
„Ich bin Michel Kichka. Ich wurde in Belgien geboren. Ich bin 65 Jahre alt und bin 1974 nach Israel ausgewandert. Ich habe an der Bezalel Art Academy studiert und unterrichte dort heute selbst. Ich zeichne politische Karikaturen und Graphic Novels, und beschäftigte mich mit Illustrationen im Allgemeinen. Ich bin in einem Haus von Shoah-Überlebenden aufgewachsen, war mir aber nicht bewusst, dass ich zur zweiten Generation gehöre. Ich wusste das nicht und konnte es auch nicht formulieren – weder als Kind noch als Jugendlicher. Ich musste warten, bis ich fünfzig Jahre alt war, um in einem von meinem Vater veröffentlichten Buch zu lesen, was mit ihm passiert war. Und ich denke, das ist typisch für die meisten Familien von Überlebenden. Ich kenne daher nur zwei Gruppen: die 95%, die nicht darüber reden, und die 5%, die ununterbrochen reden, ohne anzuhalten. Ich gehöre zur Mehrheit. Ich versuche, mehr auf die positive Tatsache zu blicken, dass er am Leben geblieben ist und dass er die Kraft dazu gefunden hat. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass er eine Familie gegründet hat oder dass ich hier bin. Dass ich in Israel bin.“
– Michel Kichka im Interview für „Auschwitz und ich – Die Kunst und das Erinnern“
Zeitstrahl Statements
- ↑ Polyphonie des Holocaust – 2. November 2020
- ↓ Die Kunst des Erinnerns – 27. Januar 2020